Aufbauen vs. Stapelkontrolle
Verfasst: Di 29. Aug 2017, 16:25
Hallo! Ich dachte mir, vielleicht versuche ich es mal wieder mit einem Strategieartikel. Zwar habe ich manchmal das Gefühl, es sei schon alles gesagt. Aber manchmal denke ich mir auch, wir haben alle noch einiges zu lernen in diesem Spiel. Und das letztere Gefühl stellt sich eher ein, wenn ich mal ein paar Spiele angeschaut oder gespielt habe. Vermutlich entspricht das also eher der Realität... daher: Lasst uns doch etwas mehr über Strategie reden!
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Aufbauen vs. Stapelkontrolle
In Dominion gibt es zwei grundsätzliche Strategieansätze. Diese sollte man beim Spielen im Hinterkopf behalten. Adam Horton fragt sich in seinen Videos gerne: "Do I win on the long game or on the short game?" Die long-game-Strategie (Aufbau) zielt darauf, dass mein Deck langfristig besser ist als das gegnerische. Die short-game-Strategie (Stapelkontrolle) nutzt einen kurzfristigen Vorsprung aus, um das Spiel schnell zu beenden. In der Regel beginnt man damit, das Deck aufzubauen und schwenkt gegen Ende auf Stapelkontrolle um. Klassischerweise redet man hierbei vom Wechsel aus dem Mid- ins Endgame. Ich erinnere mich an die alte Dominionblog-Daumenregel, "das Endspiel beginnt, sobald das erste Herzogtum gekauft wird". Das ist eine starke Vereinfachung, die ich heute ein bisschen differenzieren möchte. Es gibt in allen Spielphasen Karten, die eher in Richtung kurzes oder langes Spiel tendieren.
Kurzfristige Kontrolle: "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach."
Hier geht es darum, im richtigen Augenblick den Sack zumachen zu können. Die klassische Situation: Ich liege in Führung, aber habe ein schlechteres Deck als mein Mitspieler. Also nutze ich die Gelegenheit und leere ein paar Stapel, die ohnehin zur Neige gehen. Beim Anwesenstapel kann ich sogar noch ein paar Punkte mitnehmen, um die Führung behalten zu können.
Manchmal erinnert mich dieses Spiel ums Spielende an die sogenannten Nim-Spiele. Damals in der Schule hat ein Lehrer uns ein Spiel vorgeschlagen, bei dem er versprach, jeden schlagen zu können. Bis man ihm auf die Schliche kam. Die Regeln waren einfach. Man zählt gemeinsam von 1 bis 21, und zwar abwechselnd. Dabei darf man entweder eine, zwei oder drei aufeinanderfolgende Zahlen sagen. Wer bei 21 ankommt, gewinnt. Das lief dann zum Beispiel so ab. Ich: 1,2. Er: 3,4. Ich: 5,6,7. Er: 8. Ich: 9,10,11. Er: 12,13. Ich: 14. Er: 15,16,17. Ich: 18... Mist! Er: 19,20,21. Das Geheimnis war, dass er "17" sagt, denn dann bringt er mich in die Situation, dass ich um ein Haarbreit nicht Schluss machen kann. Aber egal was ich sage, danach kommt er auf 21. Den Rest der Gewinnstrategie könnt ihr euch selber denken.
Aber genau das ist die Situation, die wir auch in Dominion erreichen wollen: Der Gegner soll in seinem Zug gerade so viele Karten im Vorrat vorfinden, dass er nicht zu seinen Gunsten Schluss machen kann. Je mehr Karten man in einem Zug aus dem Vorrat entfernen kann, desto mehr Kontrolle hat man über das 3-Stapel-Spielende. Jede Karte, die ich mit dem Hintergedanken der Stapelkontrolle kaufe, ist also eine opportunistische Investition mit dem Risiko, dass der Gegner vorher mehr Punkte bekommt.
Langfristige Kontrolle: "Viel hilft viel."
Die grundsätzliche Überlegung ist hier, dass ich das Spiel mit den meisten Punkten gewinne. Also versuche ich mein Deck so zu trimmen, dass ich damit am Ende möglichst zuverlässig mehr Punkte kaufen kann als der Gegner. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Entsorgen mit der Kapelle, Gold nehmen mit dem Banditen, eine Kette bauen mit Dörfern und Kartenziehern und und und. Das Ziel ist in jedem Fall, den eigenen Vorsprung so weit auszubauen, dass der Gegner nicht mehr aufholen kann - egal wie gut seine Stapelkontrolle ist. Sobald man im 2er-Spiel mehr als die Hälfte der Punkte aus dem Vorrat besitzt, hat man den Sieg schon in der Tasche. (Ohne weitere Punktekarten, Chips oder Flüche gibt es im Vorrat 72 Punkte, die Hälfte wären also 6 Provinzen.) Dann ist die Stapelkontrolle eine kleinere Sorge.
Aber es geht hier gar nicht in erster Linie um Punkte, sondern um die Zuverlässigkeit des Decks. Es soll auch noch funktionieren, wenn die ersten Punktekarten mit eingemischt werden. Das kann sowohl eine ketten- als auch eine geldlastige Strategie sein. In diesem Sinne ist jede Karte, die ich mit dem Hintergedanken des Aufbauens kaufe, eine Langzeitinvestition.
Die beiden Extreme
Wenn man die Strategie der kurzfristigen Kontrolle auf die Spitze treibt und von Anfang an auf ein schnelles Ende zielt, spielt man einen Rush. Hier ist es wichtig, schnell drei Stapel zu leeren, aber zumindest einen kleinen Punktvorsprung zu wahren. Das bekannteste Beispiel ist dafür wohl Werkstatt/ Gärten.
Das Extrem der langfristigen Kontrolle ist hingegen die sogenannte Megaturn-Strategie. Hier baut man das Deck auf, ohne Punktekarten zu kaufen. Dann kauft man in einem abschließenden riesigen Zug viele Punkte auf einmal und beendet so das Spiel. Hierfür ist Königshof/ Brücke ein beliebtes Beispiel.
Kaufentscheidung
Worauf ich mit diesem Artikel hinauswill, ist, dass jede Karte auf mindestens zwei verschiedene Weisen "gut" sein kann. Entweder hilft sie mir beim Aufbauen eines zuverlässigen Decks oder sie hilft mir bei der Stapelkontrolle. Der Steinmetz ist das beste Beispiel für eine Karte, bei der man sich erst denkt: Hä, was bringt mir das? Aber wenn man erstmal mit ihm spielt, sieht man, dass er zwar nicht gut für das Aufbauen ist, aber umso stärker für die Stapelkontrolle. Umgekehrt gibt es Karten wie den Kartographen, deren Effekt das Spielende um keinen winzigen Schritt näher rücken lässt, aber dafür eine langfristige Zuverlässigkeit des Decks verspricht.
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Was haltet ihr von dieser Sichtweise? Bin für eure Ergänzungen offen.
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Aufbauen vs. Stapelkontrolle
In Dominion gibt es zwei grundsätzliche Strategieansätze. Diese sollte man beim Spielen im Hinterkopf behalten. Adam Horton fragt sich in seinen Videos gerne: "Do I win on the long game or on the short game?" Die long-game-Strategie (Aufbau) zielt darauf, dass mein Deck langfristig besser ist als das gegnerische. Die short-game-Strategie (Stapelkontrolle) nutzt einen kurzfristigen Vorsprung aus, um das Spiel schnell zu beenden. In der Regel beginnt man damit, das Deck aufzubauen und schwenkt gegen Ende auf Stapelkontrolle um. Klassischerweise redet man hierbei vom Wechsel aus dem Mid- ins Endgame. Ich erinnere mich an die alte Dominionblog-Daumenregel, "das Endspiel beginnt, sobald das erste Herzogtum gekauft wird". Das ist eine starke Vereinfachung, die ich heute ein bisschen differenzieren möchte. Es gibt in allen Spielphasen Karten, die eher in Richtung kurzes oder langes Spiel tendieren.
Kurzfristige Kontrolle: "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach."
Hier geht es darum, im richtigen Augenblick den Sack zumachen zu können. Die klassische Situation: Ich liege in Führung, aber habe ein schlechteres Deck als mein Mitspieler. Also nutze ich die Gelegenheit und leere ein paar Stapel, die ohnehin zur Neige gehen. Beim Anwesenstapel kann ich sogar noch ein paar Punkte mitnehmen, um die Führung behalten zu können.
Manchmal erinnert mich dieses Spiel ums Spielende an die sogenannten Nim-Spiele. Damals in der Schule hat ein Lehrer uns ein Spiel vorgeschlagen, bei dem er versprach, jeden schlagen zu können. Bis man ihm auf die Schliche kam. Die Regeln waren einfach. Man zählt gemeinsam von 1 bis 21, und zwar abwechselnd. Dabei darf man entweder eine, zwei oder drei aufeinanderfolgende Zahlen sagen. Wer bei 21 ankommt, gewinnt. Das lief dann zum Beispiel so ab. Ich: 1,2. Er: 3,4. Ich: 5,6,7. Er: 8. Ich: 9,10,11. Er: 12,13. Ich: 14. Er: 15,16,17. Ich: 18... Mist! Er: 19,20,21. Das Geheimnis war, dass er "17" sagt, denn dann bringt er mich in die Situation, dass ich um ein Haarbreit nicht Schluss machen kann. Aber egal was ich sage, danach kommt er auf 21. Den Rest der Gewinnstrategie könnt ihr euch selber denken.
Aber genau das ist die Situation, die wir auch in Dominion erreichen wollen: Der Gegner soll in seinem Zug gerade so viele Karten im Vorrat vorfinden, dass er nicht zu seinen Gunsten Schluss machen kann. Je mehr Karten man in einem Zug aus dem Vorrat entfernen kann, desto mehr Kontrolle hat man über das 3-Stapel-Spielende. Jede Karte, die ich mit dem Hintergedanken der Stapelkontrolle kaufe, ist also eine opportunistische Investition mit dem Risiko, dass der Gegner vorher mehr Punkte bekommt.
Langfristige Kontrolle: "Viel hilft viel."
Die grundsätzliche Überlegung ist hier, dass ich das Spiel mit den meisten Punkten gewinne. Also versuche ich mein Deck so zu trimmen, dass ich damit am Ende möglichst zuverlässig mehr Punkte kaufen kann als der Gegner. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Entsorgen mit der Kapelle, Gold nehmen mit dem Banditen, eine Kette bauen mit Dörfern und Kartenziehern und und und. Das Ziel ist in jedem Fall, den eigenen Vorsprung so weit auszubauen, dass der Gegner nicht mehr aufholen kann - egal wie gut seine Stapelkontrolle ist. Sobald man im 2er-Spiel mehr als die Hälfte der Punkte aus dem Vorrat besitzt, hat man den Sieg schon in der Tasche. (Ohne weitere Punktekarten, Chips oder Flüche gibt es im Vorrat 72 Punkte, die Hälfte wären also 6 Provinzen.) Dann ist die Stapelkontrolle eine kleinere Sorge.
Aber es geht hier gar nicht in erster Linie um Punkte, sondern um die Zuverlässigkeit des Decks. Es soll auch noch funktionieren, wenn die ersten Punktekarten mit eingemischt werden. Das kann sowohl eine ketten- als auch eine geldlastige Strategie sein. In diesem Sinne ist jede Karte, die ich mit dem Hintergedanken des Aufbauens kaufe, eine Langzeitinvestition.
Die beiden Extreme
Wenn man die Strategie der kurzfristigen Kontrolle auf die Spitze treibt und von Anfang an auf ein schnelles Ende zielt, spielt man einen Rush. Hier ist es wichtig, schnell drei Stapel zu leeren, aber zumindest einen kleinen Punktvorsprung zu wahren. Das bekannteste Beispiel ist dafür wohl Werkstatt/ Gärten.
Das Extrem der langfristigen Kontrolle ist hingegen die sogenannte Megaturn-Strategie. Hier baut man das Deck auf, ohne Punktekarten zu kaufen. Dann kauft man in einem abschließenden riesigen Zug viele Punkte auf einmal und beendet so das Spiel. Hierfür ist Königshof/ Brücke ein beliebtes Beispiel.
Kaufentscheidung
Worauf ich mit diesem Artikel hinauswill, ist, dass jede Karte auf mindestens zwei verschiedene Weisen "gut" sein kann. Entweder hilft sie mir beim Aufbauen eines zuverlässigen Decks oder sie hilft mir bei der Stapelkontrolle. Der Steinmetz ist das beste Beispiel für eine Karte, bei der man sich erst denkt: Hä, was bringt mir das? Aber wenn man erstmal mit ihm spielt, sieht man, dass er zwar nicht gut für das Aufbauen ist, aber umso stärker für die Stapelkontrolle. Umgekehrt gibt es Karten wie den Kartographen, deren Effekt das Spielende um keinen winzigen Schritt näher rücken lässt, aber dafür eine langfristige Zuverlässigkeit des Decks verspricht.
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Was haltet ihr von dieser Sichtweise? Bin für eure Ergänzungen offen.